Die Jungen sind anders

Schon bemerkt? Die Jungen sind anders. Grundsätzlich anders. Sind sie überhaupt eine homogene Gruppe, die Jungen? Eben nicht. Sie scheinen zwei gegensätzlichen Tendenzen zu folgen. Die einen rückwärtsgewandt, Halt suchend – rechte Parteien freuen sich über zahlreiche Wählerschaft aus diesem Pool – die anderen, die Kinder der Zukunft, weltoffen, offen für Neues, verantwortungsbewusst, nicht nur sich selbst gegenüber sondern auch für das größere Ganze, dessen Teil sie sind, ja für die ganze Welt.

Sie sind anders, die Jungen. Sie leben ihre Partnerschaften anders – freier, offener, ehrlicher, respektvoller – sie erziehen ihre Kinder anders – sie von allem Anfang an in ihrer Autonomie anerkennend – sie arbeiten anders – gestalterischer, eigenständiger, sich weniger vereinnahmen lassend – sie gehen anders um mit den Ressourcen der Natur – achtsamer, weniger verschwenderisch – sie sind freier und selbstbestimmter und, vor allem, sie haben eine andere, eine ganzheitlichere Sichtweise auf die Welt.

Ob er denn einen Unterschied sehe zwischen erfüllenden Partnerbeziehungen seiner Altersgruppe zu jenen früherer Generationen, fragte ich Fabian, einen jener vielen jungen Menschen, denen das ganzheitliche Bewusstsein schon in die Wiege gelegt zu sein scheint. „Ich getraue mich nicht, für meine Altersgruppe zu sprechen“, antwortete er, „aber vielleicht findest du in meinem Beispiel eine Antwort auf deine Frage. Ich hab meinen Kopf, Mary hat den ihren, ich hab meine Gefühlswelt, Mary die ihre. Wir reden offen darüber, halten, so gut wir’s können, nichts voreinander zurück. Manchmal ist dies schwierig aus der Angst, den anderen zu verletzen, aber wir lernen es immer besser, einander zu verstehen, auch wenn uns das, was den anderen bewegt, gerade nicht in den Kram passt. Es kommt selten vor, dass wir keine Lösung finden, die uns beide zufriedenstellt. Was uns den Halt gibt ist, dass jeder auf seinen eigenen Füßen steht. Wir brauchen uns nicht aneinander festzuklammern. Oft fühlen wir uns als ein Herz und eine Seele, aber wir müssen auch jeder seinen eigenen Weg gehen. Ich fühle mich auf meinem Weg von Mary sehr unterstützt, und ich glaube, das gilt auch umgekehrt. Auf keinen Fall wollen wir uns in unserer jeweiligen Entwicklung einschränken und behindern.“ Ob alles dem freien Fluss überlassen sei, ob es keine Verbindlichkeit zwischen ihnen gäbe, wollte ich wissen. Fabian sah mich verdutzt an. „Ja selbstverständlich haben wir uns committed“, fuhr es aus ihm heraus, „das gehört mit zu der Dankbarkeit, die wir empfinden dafür, dass wir uns gefunden haben, und vor allem für unsere Tochter. Aber die Verantwortung liegt bei jedem selbst. Weder kontrollieren wir uns gegenseitig, noch beschuldigen wir einander, wir versuchen nicht, uns die Verantwortung gegenseitig abzunehmen. Wir erwarten nicht voneinander perfekt zu sein. Wir gestehen uns zu, Fehler zu machen. Es passiert zwar nicht oft, aber grundsätzlich gestehen wir uns sogar zu, uns gegenseitig zu verletzen, weil wir ja wissen, dass wir es nicht leichtfertig tun. Und wir sind uns einig, sollten wir eines Tages unsere Beziehung als lebensfeindlich und unseren Lebensfluss behindernd wahrnehmen, würden wir alles tun, die Krise zu überwinden. Wenn uns das allerdings nicht gelingt, werden wir im Guten auseinandergehen und weiterhin Eltern unserer Kinder bleiben.“

Weil sie sich nicht so sehr von den Systemen vereinnahmen lassen, weil sie sich herausnehmen, selbst Souverän ihres Lebens zu sein, sind sie oft so verdammt tüchtig. Immer wieder erlebe ich junge Menschen, manchmal als Unternehmer, häufiger als Führungskräfte in größeren Unternehmen oder als Mitglieder mehr oder weniger autonomer Teams, die ein derartiges Maß an Verantwortung, Einsatzbereitschaft, Kreativität und Kooperationsbereitschaft an den Tag legen, wie ich es früher nirgendwo gesehen habe. Sie brauchen allerdings auch ein Umfeld, in dem sie sich entfalten können. In Unternehmen von gestern werden sich die Kinder von morgen schwer tun. Bauen wir unsere Unternehmen, unsere Organisationen um die jungen Menschen herum! Und lernen wir von ihnen, lernen wir von ihnen die Zukunft! Sie sind deren Repräsentanten.

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